Deta Rayner

mein Jahr 2020

Liebe Leute, ich muss jetzt ganz viel schreiben, das muss einfach raus, für alle die keine Lust auf so viel Lesen haben hier ´ne Zusammenfassung: 2020, hab überlebt, alles anders aber irgendwie gut, hab jetzt 3 Pferde und mindestens 25 Hunde als Nachbarn und auf der anderen Strassenseite wohnen Kängurus. Ich hab noch ein Akkordeon in Berlin,  Zahnpasta und Shampoo in Pfungstadt und einen ganzen Hausstand in Märkisch Buchholz……miss you!

unten seht Ihr viele viele Fotos.....

2020, die ausführliche Version, viel Spaß beim Lesen!

Im Spätsommer 2018 ereignete sich eine wichtige Vorgeschichte für die untererwartete Lebensveränderung die sich in Rob und mein Jahr 2020 und auch in das von The Beez geschlichen hat: Unsere Wohnung am Lausi in Kreuzberg in der wir seit einer gefühlten Ewigkeit glücklich waren sollte verkauft werden und wir sollten raus….. harte Verhandlungen mit der Hausverwaltung haben uns eine hübsche Summe Geld beschert. Die Idee uns ein kleines bescheidenes Zuhause in Australien zu basteln damit wir auf unseren langen Touren dort nicht die ganze Zeit aus dem Koffer leben müssen schwirrte schon seit mehreren Jahren in unseren Köpfen. Wir haben versucht dieses Geld möglichst unangetastet zu lassen weil wir keine Ahnung hatten wann und wie wir zwischen unseren Auftritten Zeit, Energie und vor allem einen Ort finden sollten diesen Traum zu verwirklichen. Im Juni 2019 sind wir nach Märkisch Buchholz gezogen, unser neuer Lebensmittelpunkt - erst mal „für immer“, echt toll (und auch gar nicht so weit vom Lausi). Anfang Januar 2020 sind wir dann wie jedes Jahr auf Australien-Tour losgezogen, die Stimmung war getrübt weil es hier schon seit drei Monaten brannte wie nie zuvor, so viele Freunde und Bekannte in Gefahr, Flora und Fauna teilweise unwiederbringlich futsch. Wir waren uns sicher dass viele Auftritte wegen den Feuern ausfallen werden - war dann aber gar nicht so, wir haben sogar zwei unvergessliche Benefiz-Konzerte in fast komplett verbrannten Orten gespielt, ja, das war im Februar. 

Im Februar ist noch was passiert. Eine Geschichte die uns schon seit September 2017 unglücklich, wirklich tieftraurig gemacht hat, in die wir emotional, organisatorisch und auch ein bisschen finanziell involviert waren, hat sich zum Guten gewendet. Ich kann hier nicht alles total ausführlich schreiben, das wär ein Buch und es ist auch nicht meine Geschichte, aber so viel: Unsere Freundin Therese führte in Katoomba in den Blue Mountains, westlich von Sydney, einen kleinen integrativen Familienzirkus, wir haben im Januar 2017 eine umwerfende Show zusammen gespielt, alle Nummern fanden zu unserer Musik statt und Leute, Ihr könnt mir glauben, ich hab schon viele Shows in meinem Leben gesehen, dit war einfach schlicht herausragend! Der Plan diesen Zirkus im Sommer 2018 nach Deutschland zu bringen stand, ich hatte fast alles fertig organisiert (16 Leute!!!) und dann wurde Therese, ihr Bruder und fünf ihrer sieben Kinder, zwei davon noch unter 18, verhaftet, sie waren 7 Monate im Gefängnis ohne zu wissen wann sie wieder frei sein würden. Von Anfang an haben wir fest an ihre Unschuld geglaubt. Machtlosigkeit, Unverständnis, die Ungewissheit ob, wann und wie sich alles auflösen würde, ach wir haben uns so hilflos gefühlt und durften mit niemandem darüber reden. Wir waren so wütend weil wir wussten dass die Ankläger einer religiösen Sekte angehören, 7 Leben einfach mal eben durch traumatische Erlebnisse und große Angst komplett zerstört. Nachdem die Gefängniszeit dann endlich ein Ende hatte durften sich die sieben nicht sehen, nicht miteinander sprechen, nicht mal Augenkontakt haben, jeder wurde woanders untergebracht und hatte Hausarrest mit je zwei Personen die sie zum Einkaufen und zur Polizei, wo sie sich jeden Tag melden mussten, begleiten durften, das ging über 18 Monate. Mitte Februar 2020 wurden diese knallharten Bewährungsbedingungen dann endlich wegen völlig unzulänglicher Beweislage aufgehoben und alle konnten sich wieder sehen, die Erleichterung über diese Nachricht hat alle Freudentränenschleusen geöffnet und wir konnten kaum erwarten die Familie Ende März zu besuchen. 

Februar bis Mitte März war eine schöne unbeschwerte Zeit, The Beez auf Tour, Sommer, alle Feuer aus, unsere Freunde frei und dann kam Freitag, der Dreizehnte….. 

Von einem Tag auf den anderen waren The Beez arbeitslos, unser geliebter Beruf von dem wir und für den wir seit 23 Jahren leben, auf unbestimmte Zeit verloren. Rob und ich haben auch unsere Rückflüge nach Deutschland verloren, neue gebucht - auch verloren, keine Rückerstattung in Sicht. Wir haben aber auch das ganz große Los gezogen: unsere Freundin Tracey aus den Blue Mountains ist für lange Zeit oder für immer nach New York gezogen und hat uns ihr wunderschönes Haus in Katoomba in dem sie lange eine Musikschule geführt hat und in dem wir schon oft aufgetreten sind zur Verfügung gestellt. Zu dritt, Peter, Rob und ich im Lockdown, ein schöner sicherer Ort, trotzdem haben wir mindestens vier Wochen lang panisch versucht unsere Zukunft zu analysieren und zu organisieren bis wir verstanden haben dass es nichts gibt was in unserer Macht steht und wir aufhören müssen zu spekulieren, wir haben das Spekulationsverbot eingeführt. In dieser Zeit haben wir auch unsere ganz nagelneue CD Streichholzschächtelchen zum freien Download auf unsere website gestellt und überwältigend viele Spenden erhalten, mannometer, Ihr seid vielleicht alle toll, wir fühlen uns so geliebt und konnten damit fast den kompletten Verdienstausfall unserer geplatzten Tour ausgleichen. 1000 DANK noch mal an jeden Einzelnen! 

Ende April lief Peters Visum aus und der Glückspilz hatte seinen Flug mit der einzigen Airline gebucht die noch fliegt. Wir sind nach Sydney zum Flughafen gefahren, sonst so riesig und belebt, jetzt wie eine Geisterstadt und haben Peter nicht wissend wann wir uns wieder sehen werden verabschiedet, da waren’s nur noch zwei… Rob und ich haben angefangen ernsthaft darüber nachzudenken einfach hier zu bleiben, ich hab ja zum Glück seit drei Jahren ein Partnervisum. Wir haben es geschafft eine Krankenversicherung abzuschliessen und auch erstaunlicherweise problemlos Anrecht auf Arbeitslosengeld bekommen, damit war klar dass ich wohl meinen ersten Winter (oder das was die hier Winter nennen) in Australien verbringe. Langsam trat ein wenig Entspannung ein, Rob ist jeden Tag wandern gegangen und ich habe jeden Tag gemalt. Meine Schwester Galeide und meine Künstlerfreundin Michelle haben mich ermutigt meine Bilder zu verkaufen, wirklich, auf diese Idee wäre ich selbst nie gekommen, ist doch „nur“ mein Hobby und jetzt hab ich schon viele verkauft und bin etwas stolz. In dieser entspannten ruhigen Zeit, im Winter Australiens, ohne einen einzigen Auftritt in Sicht, ist uns dann logischerweise klar geworden dass JETZT die Zeit ist an unserem Zuhause auf diesem Kontinent zu werkeln. Das Märkisch Buchholz Zuhause haben unsere Freunde Liane & Ulli übernommen, das hat sich für uns alle super gefügt und unsere tollen Nachbarn Irina & Uwe aus Märkisch Buchholz haben sich entschieden uns in ihrem Haus zu beherbergen, d.h. vorerst natürlich nur unseren Hausstand und wenn wir dann zurück kommen haben wir bei ihnen ein neues Märkisch Buchholz Zuhause. Die Aussicht hier und da wohnen zu können hat riesige Euphorie ausgelöst und wir sind Euch Liane, Ulli, Irina und Uwe voll dankbar und freuen uns total auf ein Wiedersehen! 

Therese hatte uns schon Anfang 2017 angeboten auf ihrem Land zu bauen, es ist nur ein paar Kilometer von Tracey´s Haus entfernt, das ging dann natürlich aufgrund der ganzen schrecklichen Geschichte nicht. Da wir ja jetzt Nachbarn waren haben wir uns oft gesehen und sie hat ihr Angebot wiederholt. Wir haben versucht die ganzen Baugesetze hier zu verstehen, es ist kompliziert und ich will damit nicht laaaaangweilen, schlußendlich hat Rob sich da durch gewühlt und im Juli bei der Firma HÄUSLEIN ein tiny house auf Rädern bestellt. Wow, eine aufregende Entscheidung, der Rohbau dieses Häusleins hat fast auf den Cent so viel gekostet wie wir bei unserem Auszug am Lausi bekommen haben, Hammer Tausch.
Ich konnte und wollte erst mal ´ne ganze Zeit noch nicht so recht darüber nachdenken, ich glaub ich hab einfach die Zeit ohne Reisen genossen, mehr als zwei Wochen am selben Ort hab ich seit Bestehen der Beez kaum erlebt, ich wollte nur malen und komischerweise Tennis spielen, hab ich vorher noch nie gemacht, und gärtnern, auch zum ersten Mal, Tracey´s Gärtnerin Liane aus Katoomba hat mir ganz viel beigebracht und jetzt arbeite sogar manchmal für sie, juhu, ein Job! Aber dann rückte die Zeit der Häuslein-Lieferung näher, wie gesagt, ein Rohbau. Schnell war ohne große Worte klar dass Rob Management und ich Bauarbeiterin sein werde, für unsere Beziehung eine sehr sinnvolle Arbeitsverteilung! Noch vor Beginn der Arbeiten ist ein weiterer Traum für mich in Erfüllung gegangen: Rob hat seinen Führerschein gemacht, yeah!, also konnte er immer alles besorgen was gerade fehlte während ich geschmirgelt und gemalert hab. Kurz nach der Häuslein-Ankunft am 23. Oktober kamen Andrew und Jenny aus Bembooka und Andrew hat mit Rob als Gehilfen (long Story - da musste Rob durch!) eine große überdachte Terrasse und drinnen die Stufen für meine Loft gezaubert. Andrew hat es geschafft alle Materialien weit unter unserem Budget zu beschaffen und hat uns seine wahrlich mega professionelle Arbeit geschenkt, Wahnsinn! Eine Woche später kamen Greg und Marty. Wir kennen Greg noch als Drummer von The Pigs er ist Badezimmerspezialist, Marty sein Kollege. Die Beiden haben vier Tage lang die Erde aufgewühlt, Ab- und Zuwasserkanäle, ein Graben für den Strom, alles mit nem echten Bagger, dann das Bad wasserdicht gemacht und gekachelt, so schnell konnte man gar nicht gucken. Die Arbeit von Greg und Marty war zur Hälfte auch geschenkt und wir können unser Glück kaum fassen, danke! Nach 10 Tagen sah das Häuslein fast so aus als könnte man es bewohnen, nur noch ein paar wichtige Details fehlten und da kam Roger! Ich war Rogers Gehilfin und musste ständig an mein Lieblingsgedicht von Robert Woitas denken: „Bohr Bohr Hammer Hammer Säg Säg, ey Alta mach doch ma ´ne Mischung!“ Zement Mischen, Fussboden verlegen, Fliesen und Fluchen, all das kann ich jetzt, es hat mir super viel Spaß gemacht mit Roger zu arbeiten und wir werden unsere Zusammenarbeit weiterführen…. noch ein neuer Job für mich! (Beeilt Euch wenn Ihr uns buchen wollt, der Februar ist schon fast voll.) 

In jeder freien Minute sind Rob und ich in unsern Lieblings op-shop (opportunity-shop, second hand Laden aber immer für irgendeine wohltätige Sache) gefahren und haben die tollsten Dinge für unsern neuen Hausstand abgestaubt. Für ein tiny house kannste ja nich einfach kaufen was Dir gefällt, nee, alle Maße müssen genau stimmen, nichts darf auch nur einen Zentimeter zu groß sein. Einzig eine richtig gute Matratze wollten wir neu kaufen, auf dem Weg dorthin doch noch ma schnell in´ op-shop und da war´se, nagelneue 1.200 Dollar Matratze für 100 Dollar. Pleite sind wa jetzt trotzdem, wie sollte es auch anders sein, aber wir ham ein Haus… und kriegen ja immer noch Arbeitslosengeld, yeah! 

Kurz vorm Einzug haben wir dann leider doch noch Ärger mit dem Amt bekommen, jemand hat sich beschwert und nun sollte alles geprüft werden. Der zuständige Beamte ist neu in seinem Job, nicht besonders nett und hat keine Ahnung. Management, also Rob, hat unter diversen schlaflosen Nächte gelitten und das alles kurz vor den großen Ferien wo niemand mehr zu erreichen ist. Da unser Häuslein offiziell Therese gehört weil es auf ihrem Land steht musste die ganze Abwicklung über sie statt finden, ein schlechtes Gefühl ihr das aufzubürden aber sie hat Einiges erreicht, Rob hatte sich ja schon vor Monaten mit den Gesetzen befasst und wusste ganz genau wo was steht um zu belegen dass hier alles rechtens zugeht, puh, da näh ich doch lieber Stuhlbezüge, Kissen und Vorhänge. Erst hatten wir überlegt unseren Einzug lieber doch noch zu verschieben aber dann haben wir mutig wie geplant auch ohne Genehmigung am 18. Dezember unsere erste Nacht hier verbracht, eine laue Sommernacht (die Einzige seit dem), mit BBQ, auf´m Tisch tanzen und dem großen Einzugsritual: ich hab einen „offiziellen“ Aufkleber der Stadt Berlin mit den Worten „hier wurde erfolgreich gentrifiziert“ an unsre Tür geklebt, danke Liane und Ulli, das hat Spaß gemacht!
Zum Glück haben wir dann noch vor Heiligabend die erlösende Nachricht bekommen dass die Grundstruktur genehmigt wurde, jetzt müssen wir nur noch bis zum 11. Januar warten um zu erfahren wann und mit welchen Auflagen wir unser Kompostklo einbauen dürfen. Alles andere (ausser Internet aber das kommt auch bald) funktioniert bestens und zum Glück gibt es in Australien an jeder Ecke öffentliche Toiletten, das geht schon mal für ´ne Weile. Nach fast genau einem Jahr Koffer, Kisten und Kartons sieht nun alles so unglaublich hübsch aus, eben wie bei Rob und Deta Zuhause und bei jedem Aufwachen brauch ich erst mal ein bisschen um zu verstehen dass das jetzt uns gehört. 

Heiligabend waren wir bei Therese und ihrer Familie zum Cocktail trinken eingeladen, das erste Weihnachten an dem die Familie wieder beisammen sein durfte und wir waren als offizielle Haushaltsmitglieder Zeugen dieser Freude. 

Hier wo es letztes Jahr überall brannte und die Luft aus schwarzrotem Rauch bestand sind jetzt die ganze Zeit zarte 16 ° C und entweder Dauerniesel- oder Starkregen, einfach zu verstehen warum die Australier dieses Wetter bevorzugen und übrigens, eine Regenrinne anzubringen ist gar nicht so schwer und macht richtig was aus, da ist dann doch noch mal der Handwerker in Rob durch gekommen…. 

Da die meisten Festivals und andere Auftritte auch für 2021 abgesagt wurden, werden wir wohl erst mal hier bleiben, ausser es geschieht noch ein kleines Wunder, aber sesshaft sein ist für mich ein aufregendes neues Abenteuer und langweilig wird mir bestimmt nicht. Das nächste Projekt ist der Garten, erst mal einen Zaun ziehen weil wir uns die Wiese mit Bella, dem Pferd, teilen; Bella hat immer Hunger und ohne Zaun würde sie unser ganzes zukünftiges Gemüse wegfressen. Ihre zwei Pferdekumpels wohnen rechts von uns und manchmal stecken die Drei ihre Köpfe zusammen und führen lange wichtige Gespräche, das ist ziemlich süß! Das Grundstück links von uns ist ein Hundetierheim und bald sollen dort auch verwundete Wildtiere versorgt werden, dann haben wir kleine Wombats und Wallabys als Nachbarn. Aber auch eine große Lagerfeuerstelle will ich haben und dann können wir unsere Terrasse als Bühne verwenden und Leute können hier zelten und vielleicht stellt Therese irgendwann ein Zirkuszelt hier auf und dann werden wir ein Festival organisieren und überhaupt, Therese und ich haben beschlossen Katoomba zum Vaudeville Capitol Australiens zu machen, im Mai sind ja auch schon unsere Freunde Mic und Ro her gezogen, wer Mic Conway kennt weiss dass Vaudeville sein zweiter Name ist. 

Nachdem sich die australische Regierung Anfang 2020 bei den ganzen Bränden als ziemlich, wie soll ich sagen, untauglich erwiesen hat, hätte ich nicht erwartet dass es für uns Künstler hier in Corona Zeiten so viel einfacher sein würde. Ich schäme mich schon fast dafür wie gut es uns geht, besonders wenn ich an Euch liebe Kollegen in Deutschland denke, auftreten dürfen wir zwar auch nicht aber wenigstens brauchen wir nicht um unsere Existenz zu bangen. Es ist furchtbar die Nachrichten zu hören, mir fällt nicht ein ermutigendes Wort ein und ich wünsche nur inständig dass unser Spruch (Hacki!!) ALLES WIRD GUT bald wahr wird und dann in Kaiserslautern wieder ALLES MUSS RAUS stattfinden kann, lieber Andreas, ich hoffe es so sehr! 

Ja, das Heimweh kneift und ich freue mich einfach jetzt schon auf ein Wiedersehen und Feiern und Musizieren (MIT Peter!) in Deutschland. Kurz hab ich überlegt ob ich hier einzelne Leute nenne aber ich hab Angst jemanden zu vergessen, ich bin so vielen von Euch fürs gelegentliche Melden dankbar, ich vermisse Euch und Ihr wisst wer Ihr seid.
Nur zwei: Sister und Papi! 

Ich wünsche Euch allen ein glückliches neues Jahr!!!!

Häuslein Fotos